Fett, aber gesund: Ist Rotwein die Antwort?

18.11.2006 Salzburger Nachrichten

Eine Studie an Mäusen zeigte: Ein Molekül aus dem Rot-wein bewahrte dicke Tiere vor den schädlichen Folgen desFettkonsums.

THOMAS SPANG - MARTIN STRICKER, WASHINGTON, SALZBURG (SN).
Eine Studie der renommierten amerikanischen "Harvard Medical School" hat herausgefunden, dass eine im Rotwein enthaltene Substanz die unerfreulichen Konsequenzen fetthaltiger Ernährung verhindern kann - zumindest bei Nagetieren. Demnach leben Mäuse, die jeden Tag eine starke Dosis der Substanz "Resveratrol" zu ihrer fetthaltigen Nahrung erhalten haben, genauso lange wie Mäuse, die einer strikten Diät folgen mussten. Die Harvard-Wissenschafter glauben, vor einer dramatischen Entdeckung zu stehen.
Dass Rotwein gut für die Gesundheit ist, taucht immer wieder in den Schlagzeilen auf.

Doch die nun vorgelegten Ergebnisse einer Gruppe von Forschern der amerikanischen Harvard-Universität und des "National Institute on Aging" sind jedenfalls mehr als eine clevere Marketing-Maßnahme von Winzerverbänden.
Französisches Paradoxon Die Forscher liefern zumindest ansatzweise eine Erklärung für das, was gemeinhin als "das französische Paradoxon" bekannt ist.
Darunter versteht man die erstaunliche Tatsache, dass die Franzosen mit ihrem fetthaltigen Speiseplan offensichtlich dank ihres Rotweinkonsums signifikant weniger Probleme mit Herzerkrankungen und Diabetes haben als die Bevölkerung anderen Nationen, in denen weniger Rotwein getrunken wird. Die Antwort von Professor David Sinclair und seinem Team lautet:
"Resveratrol" - ein Stoff, der in einer Konzentration von wenigen Milligramm pro Liter Rotwein vorkommt.

Für die Versuche wurden die Mäuse in drei Gruppen geteilt. Alle Tiere waren ein Jahr alt, das heißt: Sie standen im besten Alter.

Eine Gruppe erhielt eine normale Diät.

Die zweite und die dritte Gruppe bekamen üppige Nahrung vorgesetzt, deren Kalorienanteil zu 60 Prozent aus Fett bestand. Die Tiere aus Gruppe drei erhielten allerdings noch eine ordentliche Dosis Resveratrol dazu: 24 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Es geschah höchst Erstaunliches.
Die Mäuse aus Gruppe drei wurden zwar gleich fett, lebten aber länger (genauso lang wie die gesund und knapp ernährten aus Gruppe 1) und blieben dazu fit, beweglich und gesund.

Im Gegensatz zu ihren schwergewichtigen Kollegen aus Gruppe zwei entwickelten die Resveratrolmäuse keine

Anzeichen von Diabetes und auch keine Fettleber. Im Konditionstest zeigten sich die übergewichtigen Resveratrol-Nager den schlanken Kollegen ebenbürtig.
Die These Sinclair besagt, dass Resveratrol den gleichen Effekt auf ein als "SIRT-2" bekanntes Gen ausübt wie eine strenge Diät mit verringerter Kalorienaufnahme.

Es verlangsamt den Metabolismus des Körpers, die Zellen altern langsamer.
"Ob Resveratrol direkt oder indirekt auf SIRT-2 einwirkt, ist derzeit Gegenstand der Debatte", schreibt Sinclair in einem viel beachteten Artikel des Fachblatts "Nature".

Jedenfalls sind die Harvard-Forscher von ihren Ergebnissen selbst so begeistert, dass die Hälfte von ihnen damit begonnen hat, bewusst "Resveratrol" zu nehmen. Der Stoff findet sich nicht nur in Rotwein, sondern auch in Traubensaft und Erdnüssen.

Dr. Richard Hodes, der die Studie für das "National Institute of Health" begleitete, rät der Bevölkerung jedoch zunächst zur Vorsicht. Menschen mit einem Körpergewicht von 70 Kilogramm müssten täglich 1800 Milligramm "Resveratrol" konsumieren, um eine mit den Mäusen vergleichbare Menge des Stoffs aufzunehmen.

"Es ist sinnvoll, erst einmal die Sicherheitstests der Behörden abzuwarten", meint Hodes, der in etwa einem Jahr mit Ergebnissen rechnet.
Noch fehlt der Wirknachweis Es handle sich um ein "ziemlich aufregendes Gebiet, aber es ist noch sehr früh am Tag", kommentierte Dr. Ronald Kahn, Chef des "Joslin Diabeteszentrums" in Boston.

Fachleute auch aus Europa weisen darauf hin, dass vor einer eventuellen Anwendung beim Menschen noch viel Arbeit zu tun sei.
Derzeit schreibt die US-Lebensmittelbehörde an einer toxikologischen Bewertung des Resveratrols, das immerhin bereits in Tablettenform angeboten wird.

Die deutsche Forscherin Veronika Somoza wies darauf hin, dass "der Wirknachweis im menschlichen Organismus einfach noch fehlt". Bis auf Weiteres empfiehlt der US-Arzt Hodes: "Trinken Sie lieber ein Glas mehr Rotwein als üblich. Das sollte für den Moment reichen."

Forscher David Sinclair jedenfalls schluckt bereits seit Längerem eine Dosis von fünf Milligramm pro Tag in Form eines Präparates.

Zum Vergleich: in einer Flasche Rotwein sind zwischen 1 und 10 Milligramm Resveratrol. Weine aus kühleren Anbaugebieten wie etwa Österreich bieten die höchsten Konzentrationen. Resveratrol schließt allerdings nicht die schädlichen Wirkungen von zu viel Alkohol aus.

© SN

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